Chitin ist ein sehr häufig vorkommendes, vielseitiges Polysaccharid (Mehrfachzucker), welches etwa in Zellwänden von Tieren als Strukturgeber fungiert. Es ist ein Verwandter von Cellulose, des am häufigsten auf der Erde vorkommenden Polysaccharids, jedoch ist es wesentlich stabiler.
Inhaltsverzeichnis
Entdeckung und Namensgebung
Erstmalig wissenschaftlich beschrieben wurde Chitin im Jahre 1811 durch den französischen Botaniker, Chemiker und Pharmazeuten Henri Braconnot, der zur damaligen Zeit als Direktor des Botanischen Gartens in Nancy, Frankreich, tätig war. Er nannte den Stoff jedoch zunächst Fungin, da er ihn als Bestandteil von Pilzen (lat.: fungus) kannte.
Einige Jahre später, nämlich 1823, erhielt das Polysaccharid bereits seinen heutigen Namen durch den Franzosen Antoine Odier. Er fand den Stoff in den Flügeldecken des Maikäfers und orientierte sich bei der Namensgebung am griechischen Wort “chiton“ (Ummantelung, Panzer).
Die chemische Struktur wurde im Jahre 1929 vom Schweizer Chemiker Albert Hofmann (Entdecker von LSD) entschlüsselt, der das Polysaccharid im Rahmen seines Doktorats untersuchte.
Merkmale von Chitin
Struktur und Chemie
Das Polysaccharid Chitin besteht aus einer Vielzahl an Acetylglucosamin-Bausteinen (Monosaccharide = Einfachzucker), die durch β-1,4-glycosidische Bindungen miteinander verbunden sind. Auch die Moleküle der Cellulose sind auf diese Weise verknüpft. Im Gegensatz zur Cellulose enthält Chitin jedoch Acetamidogruppen anstelle von Hydroxygruppen – dies führt zu einer stärkeren Bindung der Wasserstoffbrücken und somit zu einem härteren und stabileren Stoff.
In der Natur gibt es zwei verschiedene Konformationen, nämlich das α-Chitin (bei Gliederfüßern) und das β-Chitin (bei Weichtieren). Sie können auch gemeinsam vorkommen, zum Beispiel bei Larven und Cephalopoden, dann nennt man es γ-Chitin.
Eigenschaften
Die wesentlichen Eigenschaften werden beeinflusst durch ihren Gehalt an Acetylgruppen (Acetylierung). Bei über 50% Acetylierung spricht man von Chitin, bei weniger von Chitosan. Die Acetylierung bestimmt außerdem die Länge der Molekülkette und deren Faltung.
- Aggregatzustand: Chitin ist ein fester Stoff, der Tierpanzern Biegsamkeit und Elastizität verleiht.
- Löslichkeit: Chitin ist unlöslich in wässrigen, schwach ionischen und gesundheitlich unbedenklichen Lösungsmitteln (Wasser, Ethanol, Ether, Aceton, Chloroform, konzentrierte Laugen, verdünnte Säuren). In starken Säuren kann es sich zersetzen.
- Farbe: Es ist farblos oder weiß. Die bekannte braune Farbe von Käferpanzern entsteht durch das Strukturprotein Sklerotin, welches auch für die Festigkeit des Panzers verantwortlich ist.
- Sonstiges: Chitin ist äußerst widerstandsfähig gegen bakterielle Angriffe. Es ist sogar in alten geologischen Ablagerungen nachweisbar.
Natürliches Vorkommen
Gliederfüßer, Weichtiere und Kopffüßer
Chitin ist gemeinsam mit Proteinen und Calciumcarbonat ein Bestandteil des Exoskeletts (Außenskelett) von Insekten, Spinnen, Tausendfüßern und Krebsen. Es findet sich auch in der Radula (Reibzunge) von Weichtieren sowie im Schulp (innerer Auftriebskörper) von Kopffüßern. Sehr reines Chitin ist in Hummerschalen, Maikäferflügeln und Kokonfäden enthalten.
Pilze
Außerdem ist es gemeinsam mit Proteinen und Glucanen in der Zellwand von vielen verschiedenen niederen Pilzen, Ständerpilzen, Schlauchpilzen und Mucorales enthalten. Die Menge an Chitin kann von Pilz zu Pilz sehr stark schwanken.
Entstehung von Chitinmolekülen
Chitinmoleküle werden in der Natur in einem mehrstufigen Prozess durch Transglycosylierungen gebildet. Daran beteiligt sind membran-gebundene Enzyme, die man auch Chitinsynthetase nennt. Dabei werden Chitinmoleküle in den Extrazellularraum, also in den Zwischenraum zwischen den Zellen, sezerniert. Hier werden die Moleküle noch modifiziert und erhalten ihre typischen Eigenschaften. Beispiele für solche Modifikationen sind die partielle Hydrolyse, die Verknüpfung mit Glucanen oder die Deacetylierung.
Jedoch werden nicht alle Chitinmoleküle modifiziert, einige von ihnen kristallisieren und vernetzen sich untereinander. Die gesamte Struktur wächst und entwickelt sich, bildet weitere Vernetzungen und lagert verschiedene Stoffe ein.
Chitin ist ein uralter Stoff, der seit mindestens 500 Millionen Jahren existiert. Da es in den Zellen von Lebewesen entsteht, nennt man es auch Biopolymer. Pro Jahr werden etwa 200 Milliarden Tonnen Chitin produziert. Der Großteil wird von Kleinkrebsen des Zooplanktons (sämtliche Meerestiere, deren Bewegungsrichtung von Strömungen bestimmt wird) erzeugt.
Bedeutung von Chitin
Chitin kommt natürlich im Tierreich vor, wird jedoch auch synthetisch hergestellt und vom Menschen beispielsweise in der Medizin oder der Industrie genutzt. Hierbei kommt vor allem Chitosan, Chitin mit weniger als 50% Acetylierung, zum Einsatz. Chitosan ist ungiftig, biologisch abbaubar und gut verträglich, da es keine Allergien auslöst.
Tier- und Pflanzenreich
In der Fauna stellt es einen wichtigen Bestandteil der Panzer von Insekten, Käfern und Krebstieren dar. Auch ist es in verschiedensten Pilzen als Strukturgeber enthalten.
Medizin
Krankheitserreger
Chitin befindet sich auch in den Zellwänden von Krankheitserregern, wie etwa pathologischen Pilzen, Fadenwürmern und deren Eiern. Säugetieren und Pflanzen können diese Erreger mithilfe von Chitinasen (Chitin abbauende Enzyme) abwehren. Erhöhte Werte dieser Enzyme werden bei Patienten mit Sarkoidose, lysosomalen Speicherkrankheiten, Asthma oder Morbus Gaucher gefunden.
Sogenannte Chitininhibitoren fungieren als Hemmstoffe gegen Chitin in Krankheitserregern und kommen daher in entsprechenden Medikamenten zur Anwendung. Weiter werden Chitininhibitoren als Fungizide und Insektizide in der Landwirtschaft eingesetzt.
Medikamente
Chitosan wird bei der Verkapselung von Medikamenten verwendet, um die Freisetzung der enthaltenen Wirkstoffe noch besser zu steuern. Außerdem wird es als Vektor in der Gentherapie, als Trägerstoff und in der Wundheilung angewandt.
Medizinische Hilfsmittel
Chitin dient als Ausgangsstoff für die synthetische Erzeugung von Glucosamin, einem Aminozucker, der in Knorpel und Gelenksflüssigkeit enthalten ist. Glucosamin wird etwa Arzneimitteln gegen Arthrose beigefügt.
Ernährung
In der Lebensmittelindustrie kommt ebenfalls Chitosan zum Einsatz, nämlich als sogenannter „Fettblocker“. Es wird aus Schalenresten von Garnelen gewonnen.
Industrie
Chitosan findet außerdem Anwendung in Wasserfilteranlagen. Die positive Ladung bindet negativ geladene Stoffe wie Proteine oder Schwermetalle. Es dient auch als Ausgangsstoff für Schaumstoffe und Folien, als Bestandteil von Zahnpasten (antibakterielle Wirkung), Papier (glättende Wirkung) und Baumwolle und bei der Austrübung von Getränken. Weiter wird es als Verdickungsmittel und Stabilisator von Lebensmitteln und Medikamenten, zur Herstellung von Wursthüllen oder als Bindungsmittel für Farben verwendet.
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