Feine verschlungene Kriechspuren ziehen sich durch den Mehlstaub und lassen nichts Gutes verheißen. Ein kleines possierliches Tierchen hat es sich bei angenehmen Temperaturen im gut gefüllten Vorratsschrank gemütlich gemacht und genießt unbeirrt die Vorzüge eines unentdeckten Schädlings. Wird die ungebetene Ankunft des blinden Passagiers dann erst einmal bemerkt, ist nicht nur der Ärger groß, sondern meist auch der bereits angerichtete Schaden. Die Rede ist vom Rotbraunen Reismehlkäfer (Tribolium castaneum).
Als gefürchteter Vorratsschädling ist seine Beliebtheit in der Nahrungsmittelindustrie verständlicherweise nicht besonders hoch, doch in dem unliebsamen Insekt schlummert Faszinierendes. Das verborgene Potenzial hat auch die Wissenschaft längst erkannt und rückt den Reismehlkäfer verstärkt in den Fokus der Forschung.
Ein kleiner entomologischer Exkurs beleuchtet die interessante Welt des Rotbraunen Reismehlkäfers und verhilft dem desolaten Käferimage womöglich sogar etwas auf die Sprünge.
Inhaltsverzeichnis
Das Aussehen der Rotbraunen Reismehlkäfer
Mit 35.000 beschriebenen Arten gehört Tribolium castaneum zu der viertgrößten Gruppe von Käfern, den Schwarzkäfern (Tenebrionidae).
Er misst nur 3 bis 4 Millimeter und seine Farbgebung reicht von hellrot bis braun, wobei Kopf und Halsschild etwas dunkler sind als sein länglich-schmaler Hinterleib. Auffällig sind die gemusterten Flügeldecken des flugfähigen Käfers: Feine Längsleisten verlaufen im Wechsel mit filigranen Punktreihen und verleihen ihm sein arttypisches Aussehen, welches auch beim Amerikanischen Reismehlkäfer sowie beim Großen Reismehlkäfer zu finden ist.
Sein markantestes anatomisches Merkmal ist jedoch die Form seiner Fühler. Diese sind an den letzten 3 Gliedern keulenförmig verdickt und machen damit die Differenzierung zum Amerikanischen Reismehlkäfer (Tribolium confusum) möglich, denn diese beiden Arten sind sich in ihrem Habitus zum Verwechseln ähnlich.
Die Lebensweise der Rotbraunen Reismehlkäfer
Die Lebenserwartung des Rotbraunen Reismehlkäfers beträgt bei optimalen Bedingungen etwa ein Jahr. Dabei wird ein Entwicklungszyklus, vom Ei bis zur Imago, in circa 1-3 Monate durchlaufen.
Jedes Weibchen legt innerhalb seines Lebens bis zu 1000 Eier ab, welche mit einem klebrigen Sekret überzogen sind. Das sorgt einerseits für eine gute Haftung im Nährsubstrat und andererseits für eine verminderte Sichtbarke.
Nach etwa 3-14 Tage schlüpfen die Larven. Ihr Körper ist behaart und hellbraun gestreift. An der dunkel gefärbten Kopfkapsel befinden sich zwei kurze Fühler und am Hinterleibsende zwei kurze dunkle Dornen. Mit drei Laufbeinpaaren im vorderen Körperdrittel und zwei Nachschiebern im Hinterleib bewegen sie sich lose im Brutsubstrat fort. Kurz vor der Verpuppung haben die Larven eine Körperlänge von 6 bis 8 Millimeter erreicht.
Eine warme Umgebung mit wohligen 22-40 Grad Celsius und ausreichend Nahrung ist die beste Grundlage für ein schnelles Populationswachstum. Idealerweise liegt das Getreide als Bruch oder Schrot vor oder ist bereits anderweitig beschädigt worden, denn intaktes Saatgut wird vom Rotbraunen Reismehlkäfer äußerst selten befallen.
seiner Herkunft ist er sehr kälteempfindlich. Kühle Temperaturen bis etwa 7 Grad Celsius überleben die Tiere nicht dauerhaft und Minustemperaturen verlaufen meist tödlich.
Tribolium castaneum ist hervorragend an Trockenheit angepasst und benötigt zum Überleben lediglich das Wasser, welches im Mehl oder Getreide enthalten ist.
Der Lebensraum und das Verbreitungsgebiet
Beheimatet ist der Rotbraune Reismehlkäfer ursprünglich in den tropischen und subtropischen Breiten Afrikas, Indiens und Südostasiens. Dort lebt er geschützt unter Baumrinden oder ist in vermoderndem Holz zu finden, wovon er sich unter anderem auch ernährt. Seine wahre kulinarische Vorliebe gilt allerdings einem ganz anderen Nahrungsmittel: Getreide.
Besonders wählerisch ist er dabei nicht. Zwar stehen Reis und Reismehl auf seiner Speisekarte ganz oben, doch er ist kein Kostverächter und so sind Rosinen, Kakao, diversen Sämereien, Erbsen Bohnen oder getrockneten Gewürzkräutern genauso gern willkommen.
Schon die Analyse pharaonischer Grabbeigaben belegte die synanthrope Existenz des Rotbraunen Reismehlkäfers und diese Gesellschaft genießt er mehr denn je. Weltweite Nahrungsmittelimporte haben es dem kleinen, fast unscheinbaren Tierchen ermöglicht, sich auf rasante Art und Weise auch in den gemäßigten Zonen zu verbreiten und so den Weg in die Getreidesilos und Großmühlen zu finden.
Doch was des einen Freud ist des anderen Leid: Während sich der Rotbraune Reismehlkäfer bei idealen Lebensbedingungen, wie im Schlaraffenland fühlen muss, ist die Schadensbilanz für den unfreiwilligen Gastgeber meist gewaltig. Und er ist nicht allein, denn Tribolium castaneum tritt häufig als Folgeschädling auf. Dann, wenn das Getreide bereits das erste Mal, etwa durch den Kornkäfer, angefressen und beschädigt wurde, sind für ihn die idealen Voraussetzungen geschaffen und sein zerstörerisches Tatwerk beginnt.
Auch wenn ein Schädling letztendlich ein Schädling bleibt, so ist es bei der Vielzahl an synanthropen Parasiten doch wichtig zu wissen, welcher tierische Übeltäter am verlustreichen Werke war, vor allem um entsprechend geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Die Schadwirkung der Rotbraunen Reismehlkäfer
Optimale Lebensbedingungen führen zu großen Populationsdichten und das wiederum führt zu einem beachtlichen Schaden. Mehr noch als die Beschädigung des Getreides selbst wiegen die Verunreinigungen durch Kot, Larven, Puppen und Resten der Häutung. Außerdem besitzt der Rotbraune Reismehlkäfer die Fähigkeit, durch die Abgabe einer bestimmten Substanz, unter anderem das Wachstum von Schimmelpilzen zu hemmen. Chinon wird der Stoff genannt, der dafür sorgt, dass sich befallenes Mehl rosa färbt, einen beißenden Geruch annimmt und seine Backfähigkeit verliert. Ist Saatgut betroffen, dann ist dieses nicht mehr keimfähig. Die gesundheitlichen Folgen sind dabei umstritten, denn Chinone stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.
Darüber hinaus gilt Tribolium castaneum, so wie andere Vorratsschädlinge auch, als Überträger des Rattenbandwurms. Schnelles und effektives Handeln ist also geboten, um sich dem unliebsamen Gast wieder rasch zu entledigen.
Die Bekämpfung der Rotbraunen Reismehlkäfer
Insekten sind ein natürlicher Teil unserer Umwelt. Durch die menschliche Lebensweise wurden sie zu Synanthropen, denn ideale Lebensbedingungen, wie etwa warme Räume, große Lebensmittelvorräte und Schutz vor Feinden, haben sie in unsere Lebensbereiche gelockt. Um den lästigen Tierchen erst gar kein attraktives Milieu zu bieten oder ein massenhaftes Ausbreiten zu verhindern, gibt es eine Reihe vorbeugender Maßnahmen, allem voran die Hygiene.
Regelmäßige Kontrolle und Reinigung der Aufbewahrungsorte sichern ein frühzeitiges Entdecken. Das gilt im kleinen Privathaushalt, wie im großen Industriebereich.
Außerdem können Produkte bereits bei der Warenannahme oder nach dem Kauf auf Befall untersucht werden. Anzeichen für eine Kontamination sind Verklumpungen, Spinnfäden oder auch Fraßmehl. Beschädigte und verunreinigte Waren sollten dann sofort vollständig entsorgt werden.
Lange Lagerungszeiten begünstigen einen Schädlingsbefall und auch wenn Vorräte in fest verschlossenen Behältern gelagert werden, stellen diese nicht unbedingt ein unüberwindbares Hindernis für Schädlinge dar.
Erfolgreiche hat sich zudem die kühle Lagerung von Getreide gezeigt, da Reismehlkäfer eher eine warme Umgebung bevorzugen und Kälte meiden. Eine regelmäßige Bewegung des Füllgutes kann sich zusätzlich als nützlich erweisen, denn das vertreibt die Schädlinge häufig schon.
Hat sich der Rotbraune Reismehlkäfer jedoch eingenistet, dann können nur noch bekämpfende Maßnahmen helfen. Mit der vollständigen Entsorgung des befallenen Mahlgutes ist dann ein erster unverzichtbarer Schritt getan.
Der Einsatz von Nützlingen, wie etwa der Raubwanze, kann die Ausbreitung der Käfer zwar unterdrücken, braucht aber eine gewisse Zeit, die meist nicht gegeben ist.
Thermische Verfahren sind eine übliche Methode zur Schädlingsbekämpfung. Dabei wird der zu behandelnde Bereich über einen längeren Zeitraum entweder stark heruntergekühlt oder auf über 60 Grad Celsius erhitzt. Beides führt letztendlich zum selben erfolgversprechenden Ergebnis.
Befallenes Getreide kann außerdem mit den inerten Gasen Stickstoff bzw. Kohlenstoffdioxid oder Phosphorwasserstoff behandelt werden.
Der Käfer als Forschungsobjekt
Bisher galt die Taufliege (Drosophila melanogaster) als begehrtes Modelltier in der Wissenschaft und ist bis dato das wohl beste erforschte Insekt. Doch in den letzten Jahren ist der Rotbraune Reismehlkäfer vermehrt in den Fokus der Forschung gerückt und seit dem 24. März 2008 ist er auch der erste Käfer, dessen Erbgut sequenziert wurde. Dabei wurden eine Vielzahl von Genen gefunden, die Drosophila entweder nicht in sich trägt oder die für völlig unterschiedliche Dinge verantwortlich sind. Die Wissenschaftler erhoffen sich dadurch neue Erkenntnisse im Hinblick auf Metamorphose, Entwicklung der Körpervielfalt, Embryonalentwicklung und Schädlingskontrolle. Durch verschiedene körpereigene Fähigkeiten ist der Rotbraune Reismehlkäfer als Forschungsobjekt ideal geeignet. So hat er sich als transgenes Tier bereits etabliert, denn bestimmte Verfahren (bspw. die RNA-Interferenz, RNAi) ermöglichen es, dass sich bei ihm Gene gezielt ausschalten lassen.
Seit einiger Zeit entwickelt sich ein neues, junges Forschungsgebiet: die Insektenbiotechnologie. Dieser junge Forschungsbereich versucht, mithilfe von Insekten, neue Medikamente und Therapien zu entwickeln, denn die Anpassungsfähigkeit diese Tiergruppe stellt für die Wissenschaft ein gewaltiges Potenzial dar. Die Abwehrmechanismen, welche die Insekten entwickelt haben, um sogar in lebensfeindlichen Gebieten zu überleben, gilt es zu entschlüsseln und für den Menschen nutzbar zu machen. Und die ersten Erkenntnisse sind äußerst vielversprechend.
Die Rolle der Rotbraunen Reismehlkäfer
Wissenschaftler entdeckten im Zuge der genetischen Analyse bestimmte Strukturen, die Integrine, welche von großer medizinischer Relevanz sein können. Dabei handelt es sich um Eiweißmoleküle, die für die Klebrigkeit von Zellen (Zelladhäsion) notwendig sind. Beim Menschen sind sie unter anderem an einer Reihe von Krankheiten beteiligt. Dabei reicht das Spektrum von Hautkrankheiten bis hin zu Krebserkrankungen. Wie die einzelnen Strukturen zusammenwirken und wie sie medizinisch nutzbar gemacht werden können, das gilt es herauszufinden.
Weitere Ergebnisse neu identifizierter Gene lassen auf Fortschritte in der Stammzellbiologie hoffen und eine Verbesserung des allgemeinen Verständnisses von Stammzellen, deren Bildung und Entwicklung. Ferner erhoffen sich die Forscher einen medizinischen Vorstoß im Bereich der Gluten-Unverträglichkeit, denn der Rotbraune Reismehlkäfer besitzt ein Enzym, mit welchem er Gluten verdauen kann. Ihr Ziel ist es, dieses aus den Backwaren entfernen zu können und so etwa Brote für Allergiker zu entwickeln.
Auch im Kampf gegen Parkinson ist der Reismehlkäfer von großer Bedeutung. Wissenschaftler konnten durch bestimmte Verhaltensweisen, Methoden und Experimente entwickelt, um mit seiner Hilfe zukünftig wichtige Erkenntnisse über nutzbare Wirkstoffe zu erhalten.
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