Die Wüstenheuschrecke (Schistocerca gregaria) ist eine Heuschrecke aus der Familie der Feldheuschrecken und gehört zu den Arten, die auch als Wanderheuschrecken bekannt sind. Bereits im Altertum, aber auch noch heute, war die Wüstenheuschrecke ein gefürchteter Schädling. In unregelmäßigen Abständen schließt sie sich nämlich zu Schwärmen bestehend aus bis zu 50 Millionen Tieren zusammen und begibt sich auf Futtersuche. Die beträchtlichen landwirtschaftlichen Schäden, die durch die Wanderung eines solchen Schwarms entstehen, wurden bereits in der Bibel beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
Das Aussehen der Wüstenheuschrecke
Die männlichen Exemplare der Wüstenheuschrecke erreichen eine Körperlänge von 60 bis 75 Millimeter, die etwas größeren Weibchen erreichen eine Körperlänge von 70 bis 90 Millimeter. Die halbtransparenten Deckflügel (Tegmina) erstrecken sich über den gesamten Insektenkörper und überragen Hinterleibsende und Hinterknie. Die in Ruhelage unter den Deckflügeln verborgenen Hinterflügel sind meist transparent bzw. glasklar. Diese Heuschreckenart gehört zur Gruppe der Kurzfühlerschrecken, dass bedeutet ihre kurzen fadenförmigen Fühler sind im Unterschied zu den Langfühlerschrecken, deutlich kürzer als Kopf und Brustsegment zusammen. Der Kopf ist trapezförmig, die seitlich liegenden Komplexaugen sind auffällig gestreift. In normalen Zeiten ist die Wüstenheuschrecke einheitlich gelbgrau bis Sandfarben gefärbt. Die Deckflügel haben eine dunkelbraune Musterung. Während der Wanderphase ist die Wüstenheuschrecke von einer leuchtend gelben, rotbraunen bis schwarzen Farbe. Die Geschlechter unterscheiden sich vor allem in der Größe. Die Weibchen der Wüstenheuschrecke sind deutlich größer. Die Weibchen haben außerdem einen gut erkennbaren Eiablageapparat am Unterkörper, der aus vier kurzen an der Spitze abgerundeten Valven besteht. Die Heuschrecken haben kräftig ausgebildete Mundwerkzeuge, die sich optimal zum Zerkleinern und Fressen von Pflanzen eignen. Damit können sie ganze Landstriche kahl fressen. Dieses hohe Schädlingspotenzial entspringt den besonderen Fähigkeiten dieser Heuschreckenart, sich überdimensional zu vermehren, Gruppen zu bilden, große Entfernungen zu überwinden, sich in verschiedenen Lebensräumen niederzulassen und zu brüten. All diese Eigenschaften werden noch verstärkt durch ein ungezügeltes Fressverhalten auf ihren Wanderschaften. Ein kleines Beispiel aus der heutigen Zeit: Im Juni 2019 wurde Sardinien vom schlimmsten Ausbruch seit Jahrzehnten heimgesucht. Der italienische Bauernverband Coldiretti teilte mit, das Millionen von Heuschrecken mindestens 2.000 Hektar Ernte auf Sardinien zerstört haben. Die Insekteninvasion war mit einem hohen Temperaturanstieg im Juni verbunden. Der Klimawandel lässt grüßen.
Die Ernährung und das Verbreitungsgebiet
Die Wüstenheuschrecke ernährt sich ausschließlich von Pflanzen. Sie fressen dabei alle Pflanzenteile, unter anderem Blätter, Blüten, Rinde, Stängel, Früchte sowie Samen. In Bezug auf Pflanzen sind sie aber polyphag, das heißt, ihr Nahrungsspektrum was die Pflanzenart betrifft ist breit gefächert. Fast alle Kultur-Pflanzen aus ihrem Heimathabitat z. B. Hirse, Reis, Mais, Zuckerrohr, Gerste, Baumwolle, Obstbäume, Dattelpalmen, Bananen und Gemüse, sind gefährdet. Aber auch Nicht-Kultur-Pflanzen, darunter Weideland, Gräser, Akazien, Pinien usw. werden gern gefressen. Doch auch Wüstenheuschrecken können manchmal wählerisch sein. In Nordafrika beispielsweise haben sie eine Vorliebe für dort wachsende Burzeldorne, Heliotropium-Arten und Kreuzblütler. Einige Nicht-Kultur-Pflanzen haben auch Abwehrmechanismen gegen Fraß durch Wüstenheuschrecken entwickelt. Bestimmte Repelentstoffe schützen die Pflanzen oder sind sogar giftig für die Heuschrecken. Dazu gehören insbesondere Calotropis-Arten (Hundsgiftgewächse), die Steppenraute, der Niembaum und der Oleander. An diesen Gewächsen vergreifen sich die Wüstenheuschrecken auch bei größtem Hunger nicht. Die Wüstenheuschrecke verzehrt an einem Tag das Äquivalent von ihrem eigenen Gewicht. Die verdaute Nahrung wird als giftiger Kot ausgeschieden.
Die natürlichen Biotope der Wüstenheuschrecke erstrecken sich über ganz Nordafrika (vor allem die Sahelzone), den Nahen und Mittleren Osten, von Mauretanien über Algerien, Libyen, Ägypten und Saudiarabien bis in den Nordwesten Indiens. In diesen Regionen besiedelt sie aride Gebiete mit offener Vegetation, semiaride baumlose Graslandschaften (Steppen) und Halbwüsten. Des Weiteren kommt die Wüstenheuschrecke auch in ariden Gebieten in Südafrika vor. Hier leben die Tiere aber ausschließlich ortsgebunden. Wanderschwärme werden zu keiner Zeit gebildet.
Die Lebensweise der Wüstenheuschrecke
Das Leben der Wüstenheuschrecke besteht aus zwei wichtigen Phasen. Die solitäre Phase: In dieser Zeit lebt die Wüstenheuschrecke ortsgebunden in ihrem Habitat als Einzelgänger. In der Wanderphase, auch gregäre Phase genannt, hingegen bildet sie riesige Schwärme von 40-50 Millionen Individuen, sucht Futter und legt dabei bis zu 100 Kilometer pro Tag zurück. Der größte Schwarm, der je bekanntgeworden ist, bestand sogar aus ca. 40 Milliarden Wüstenheuschrecken und bedeckte eine etwa 1.036 Quadratkilometer große Fläche. Die sogenannte gregäre Phase wird allgemein ausgelöst durch eine Verschlechterung der Lebensbedingungen. Wenn für eine Heuschrecken-Generation die Bedingungen zunächst optimal sind, kann es passieren, dass so viele Nymphen schlüpfen, dass es für die gesamte Population zu eng wird und das Futter nicht mehr ausreicht. Die Wüstenheuschrecken schließen sich dann zu Gruppen zusammen und beginnen zu wandern. Das Schwarmverhalten ist dabei nicht nur auf die adulten Tiere beschränkt, auch die Nymphen zeigen dieses Verhalten. Sie schließen sich in dichten Gruppen von mehreren Tausend Individuen zusammen und suchen Bereiche mit genügender Vegetation zum Fressen auf. Indem sie abwechselnd rasten, dabei fressen und dann wieder wandern, fliegen sie in geschlossenen Gruppen von einer Futterstelle zur nächsten. Dabei können sie täglich Strecken von 200 bis zu 1.700 Meter zurücklegen. Ganz anders das Verhalten der Imagos. Diese bewegen sich sprunghaft vorwärts. Bei den einzelnen Flügen legen sie ca. 30 m zurück. Falls nötig können die Heuschrecken aber auch mithilfe des Windes Hunderte Kilometer in der Luft zurücklegen. Abhängig von den jeweiligen Windbedingungen können sie sogar Höhen von bis zu 1.500 m erreichen. Doch normalerweise bewegen sie sich in Bodennähe vorwärts. Die Anzahl der Individuen in solchen Schwärmen wird auf über 50 Millionen geschätzt. Die Heuschreckenschwärme fliegen ausschließlich bei Tageslicht ungefähr neun bis zehn Stunden pro Tag. Dazwischen wird alles gefressen, was fressbar ist. Auf diese Weise bewegen sie sich schnell vorwärts. Selbst bei Windstille erreichen sie noch Fluggeschwindigkeiten von 3-4 Meter pro Sekunde.
Die Fortpflanzung der Wanderheuschrecke
Der Lebenszyklus einer Wüstenheuschrecke beginnt im Ei. Die ovalen Eier sind ungefähr 8 x 3 Millimeter groß. Die Eiphase dauert zwischen 10 bis 65 Tage. Nach der Eiphase durchlaufen die Wüstenheuschrecken fünf Nymphenstadien. In der solitären Phase manchmal sogar sechs Nymphenstadien. Die Nymphen häuten sich alle vier bis fünf Tage. Alle Nymphenstadien zusammen dauern zwischen 24 bis 95, im Schnitt 36 Tage. Am Ende der Nymphenstadien erfolgt die Häutung zum geschlechtsreifen Imago (Adultform der Wüstenheuschrecke). Die Lebenserwartung der adulten Form liegt zwischen 2,5 bis 5 Monate. Der Begattungsvorgang zwischen Männchen und Weibchen kann bis zu mehren Stunden andauern. Dazu hüpft ein geschlechtsreifes Männchen auf den Rücken eines Weibchens, umklammert dessen Körper mit seinen Beinen und deponiert mit der Spitze seines Abdomens ein Spermapaket in der Hinterleibsöffnung (Begattungsorgan) des Weibchens. Ein Begattungsvorgang ist ausreichend, für mehrere Eigelege. Die Weibchen graben nach der Befruchtung mit den beweglichen Valven ihres Ovipositors (Eiablegeapparat) ein ca. 5 bis 10 Zentimeter tiefes Loch in den Boden und legen darin die Eier ab. Dabei werden etwa 90 bis 160 Eier in einem, durch eine schaumartige Hülle geschütztes Eierpaket (Oothek) abgelegt. Die sekretartige Hülle erhärtet später. In der sogenannten Wanderphase ist die Eieranzahl bedeutend geringer. In der Regel werden dann weniger als 80 Eier abgelegt. Die meisten Weibchen schaffen zwei Gelege, einige wenige drei und extrem wenige ein weiteres viertes Gelege. Dabei hängt es von der Bodenfeuchte ab, ob sich die Eier weiter entwickeln. Unter guten Bedingungen sind bis zu 20 Nachkommen keine Seltenheit. Frisch geschlüpfte Imagines müssen erst ca. 10 Tage abwarten, bis ihre Flügel genügend ausgehärtet sind. Dann können sie zu ihren ersten Flug starten. Nach dem Schlüpfen sind Imagines nicht sofort geschlechtsreif, sondern bleiben zunächst immatur, das heißt ein Zustand zwischen Jugendstadium und Geschlechtsreife. Erst wenn die Imagos günstige Umweltbedingungen antreffen, wird die endgültige Geschlechtsreife ausgelöst. In den ariden Habitaten der Wüstenheuschrecke sind die Auslöser in der Regel Regenphasen. In der Wanderphase kann es sogar passieren, dass falls die Schwärme in ein Gebiet kommen, indem es regnet oder kurz zuvor geregnet hat, alle Individuen des Schwarms in kurzer Zeit kollektiv ihre Geschlechtsreife erreichen. Umgekehrt können die Imagos bei ungünstigen, trockenen Bedingungen bis zu sechs Monate immatur bleiben.
Die Wanderung der Wüstenheuschrecken
Der Wanderimpuls wird durch eine stark zunehmende Population bei gleichzeitig abnehmender Nahrung im Lebensraum der Heuschrecken ausgelöst. Wenn die Dichte der Individuen einen bestimmten Grenzwert erreicht, wird durch ständigen Körperkontakt untereinander ein sogenannter Berührungsreiz ausgelöst. Direkter Auslöser ist die gegenseitige Berührung der Schenkel an den Hinterbeinen der Heuschrecken. Durch die häufige Berührung der Hinterbeine wird die Produktion des Hormons Serotonin aktiviert, was dazu führt, dass bei bisher solitären Nymphen innerhalb weniger Stunden das Schwarmverhalten (gregäre Phase) in Gang gesetzt wird. Die Weibchen können auch durch bestimmte chemische Signal die Phase ihres Nachwuchses beeinflussen, wodurch dieser die solitäre Phase überspringt und Nymphen direkt in der gregären Phase entstehen. Die Unterscheidung der Heuschrecken der solitären Phase von Heuschrecken der gregären Phase ist leicht. Die gregären Nymphen haben in den ersten beiden Nymphenstadien eine schwarze Färbung, später eine gelbe oder gelborange Färbung mit schwarzer Zeichnung. Die Augen sind rot. Auf dem Hinterhaupt befindet sich ein ebenfalls roter Fleck. Die solitären Nymphen hingegen haben eine grüne Färbung, in den beiden letzten Nymphenstadien manchmal auch braun, aber immer ohne schwarze Flecken.
Besonderheiten und Wissenswertes
Gelegentlich in die westliche und zentrale Sahara ausschwärmende Wüstenheuschrecken, werden von der dort beheimateten Dumérils Fransenfingereidechse gerne gefressen. Da die Wüstenheuschrecke während ihrer Wanderphase aber auch giftige Pflanzen wie das ägyptische Bilsenkraut verzehrt, kommt es zu einer sogenannten Sequestrierung der Pflanzentoxine im Körper der Wüstenheuschrecke. Die Wüstenheuschrecke entwickelt dann eine intensive Körperfärbung, einen Aposematismus (Warnfärbung). Duméril’s Fransenfingereidechsen verschmähen mit gutem Grund Wüstenheuschrecken mit einer solchen Warnfärbung.
Aufgrund der bedeutenden wirtschaftlichen Schäden, die Heuschreckenschwärme anrichten können, werden diese permanent überwacht. Die dafür zuständige Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) mit Sitz in Rom, unterhält dazu das Monitoringprogramm „Locust Watch“ (Heuschreckenuhr). Die Verbreitung und Schwarmbildung der Wüstenheuschrecken werden in allen gefährdeten Regionen genau verfolgt. Damit die betroffenen Gebiete frühzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen können, werden bei verstärktem Auftreten der Schwärme unverzüglich entsprechende Warnmeldungen herausgegeben.
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